Wolfsburgs Pernille Harder vor dem Pokalfinale: Die 100-Tore-Frau (2025)

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Wolfsburgs Pernille Harder vor dem Pokalfinale: Die 100-Tore-Frau (1)

Der Begriff "Nerd" hat in den vergangenen Jahren eine Wandlung erfahren. Nerds - das waren ursprünglich Männer, die selten duschen. Sozial unbeholfen, aber dafür dermaßen bewandert in ihrer Spezialdisziplin (gerne: Computer, Coding, Comics), dass ihnen kaum jemand folgen konnte, wenn sie für vertrackte Probleme verblüffende Lösungen fanden. Genialisch, aber harmlos.

Nun ist die Wolfsburger Fußballerin Pernille Harder mit 27 Toren aus den 22 Ligaspielen dieser Saison alles andere als harmlos und von Berufs wegen duscht sie überdurchschnittlich oft.

Aber Harder ist nichts anderes als ein Fußball-Nerd, das sagt sie selbst über sich - in Instagram-Stories und YouTube-Fragerunden für Fans. Wenn sie nicht auf dem Feld steht, denkt sie viel über das Spiel nach - taucht tief ein in die eigene Disziplin. Das ist ein Grund dafür, warum Pernille Harder derzeit die beste Torjägerin im deutschen Fußball ist - und wohl auch eine der besten der Welt. Genialisch und gefährlich.

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Die Dänin, 27 Jahre alt, wechselte im Januar 2017 aus der schwedischen Liga zum VfL Wolfsburg. Seitdem hat der Klub jedes Jahr das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal gewonnen. Mit einem Sieg im Pokalfinale gegen die SGS Essen am Nachmittag (16.45 Uhr; Liveticker SPIEGEL.de; TV: ARD) gelänge dies dem Team zum vierten Mal in Folge.

Harder selbst schoss seit ihrem Wechsel in 110 Pflichtspielen für den VfL exakt 100 Tore. Ihr letztes, zum 5:0 gegen Bayer Leverkusen am Sonntag, war zugleich das letzte Tor der Bundesliga Saison. Wolfsburg bekam die Schale, Harder die Torjägerinnenkanone. In der Liste der erfolgreichsten Schützinnen hat sie neun Treffer Vorsprung auf die Zweitplatzierte. 27 Tore, das übertraf zuletzt Inka Grings vor zehn Jahren (28 Tore).

Private Studien von Ronaldo, Iniesta und Xavi

Dabei spielt Harder meist nicht mal auf der Mittelstürmerinnenposition. Stattdessen darf sie sich im System von Trainer Stephan Lerch aus dem offensiven Mittelfeld heraus frei um die Stürmerinnen Ewa Pajor und Svenja Huth - oder wahlweise auch mal Alexandra Popp - bewegen. Mitspielerinnen und Trainer schwärmen von ihrem Spielverständnis. Und das hat auch mit ihrer Art zu tun, sich in den Fußball zu versenken.

Harder liebt es nicht nur Fußball zu spielen, sie schaut auch gern zu und spricht darüber, wie Nerds das eben tun. "Bei Cristiano Ronaldo analysiere ich vor allem das Freilaufverhalten im Sechzehner", sagte sie kürzlich der Liga-Zeitschrift "Elfen". "Ich schaue mir aber auch Mittelfeldstrategen wie Iniesta oder Xavi an, um in puncto Spielorganisation dazuzulernen." Die Ergebnisse ihrer privaten Studien waren beispielhaft an ihren Toren aus den beiden deutlichen Liga-Siegen gegen Pokalgegner Essen zu sehen.

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34. Minute beim Hinspiel im Herbst (im Video ab 1:30): Eine Wolfsburger Verteidigerin gerät am eigenen Strafraum in Ballbesitz. Harder entdeckt auf dem linken Flügel hinter dem Essener Pressing eine Lücke, läuft hinein – und macht so aus der Befreiungsaktion ihrer Kollegin eine Torgelegenheit. Bevor sie den langen Pass annimmt, schaut sie einmal kurz hoch, erkennt das Timing der herausrückenden Verteidigerin. Mit dem ersten Kontakt streicht sie den Ball unter deren Ausfallschritt hindurch; mit dem zweiten zieht sie von links in den Strafraum und schiebt ihren Körper in den Laufweg der nacheilenden Gegnerin. Mit dem dritten vollendet sie aus vollem Tempo. Gespür für Raum und Gegner – eine Iniesta-Tugend.

Beim Rückspiel Mitte Juni lauerte Harder am Elfmeterpunkt (im Video ab 1:24), ihre Mannschaft greift über rechts an. Bevor die Flanke kommt, deutet Harder einen Sprint zum kurzen Pfosten an, schickt ihre Gegenspielerin damit ins Nichts. Sie selbst setzt sich in den Rückraum ab und lenkt die Flanke im Rückwärtsgehen mit der linken Innenseite präzise ins lange Eck – ein Ronaldo-Laufweg.

Alle 59 Minuten ein Tor

Harder trifft mit links fast genauso oft wie mit rechts, zudem mit dem Kopf, vom Elfmeterpunkt und per direktem Freistoß. In dieser Saison schoss sie im Schnitt alle 59 Minuten ein Tor. Bestwert in Europa. Dass Pernille Harder noch nicht Weltfußballerin war, liegt auch daran, dass sie mit Dänemarks Nationalteam bislang an keiner Weltmeisterschaft teilgenommen hat.

Und doch stand Harder bei der WM 2019 kurioserweise plötzlich für einen Moment im Mittelpunkt. Ein Foto nach dem Achtelfinalsieg von Schweden gegen Kanada verbreitete sich im Internet: Harder, im gelben Schwedentrikot, küsst von der Tribüne herab die schwedische Verteidigerin Magdalena Eriksson. Die beiden wurden in der gemeinsamen Zeit beim Linköping FC ein Paar. Inzwischen spielt Eriksson für den FC Chelsea. Und auch ihre Freundin sei, sagt Harder, ein Fußball-Nerd. Die beiden sprächen viel über den Job.

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Lebte sie ihre Homosexualität früher ohne weiter drüber nachzudenken privat, versteht sie sich seit dem Kussfoto von der WM als Botschafterin für LGBTQ-Rechte. Im Mai forderte sie: "Auch bei den Männern wünsche ich mir, dass ein aktiver Spieler den Mut aufbringt, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, denn es gibt diese Spieler ganz sicher." Sie habe durch die Reaktionen auf ihr Outing begriffen, wie wichtig queere Idole aus dem Sport für junge Menschen seien.

Harder hat immer mal wieder angedeutet, gerne auch wieder in einem Team mit Eriksson spielen zu wollen. Tatsächlich ist fraglich, wie lange sie noch in Wolfsburg bleibt. Als Fußballerin, die sich in der Weltklasse weiterentwickeln möchte, sucht Harder Konkurrenz auf höchstem Niveau. Findet sie die langfristig in der Bundesliga? Wolfsburg hat diese Saison kein einziges Spiel verloren, dabei 93 Tore geschossen und nur 8 kassiert. Und die Ungleichheit in der Liga wird sich verstärken. So muss etwa Finalgegner SGS Essen diesen Sommer drei Nationalspielerinnen an das Spitzenduo Wolfsburg und München abgeben, Toptalent Lena Oberdorf spielt am Samstag in Köln gegen ihren zukünftigen Verein.

Harders Vertrag in Wolfsburg läuft nur noch ein Jahr. In einem Beitrag auf der Website der Fifa hat sie angekündigt, nach der schwedischen und der deutschen in ihrer Karriere noch mindestens zwei weitere Ligen ausprobieren zu wollen. Fragen zur Zukunft verbittet sich die Pressestelle des Vereins im Moment. Gegenüber dem SPIEGEL sagt Harder: "Was mich motiviert, ist es, mich jeden Tag im Training weiterzuentwickeln. Die eigene Entwicklung zu spüren, ist die größte Befriedigung – zusammen mit dem Gewinn von Titeln." Zumindest Letzteres kann Wolfsburg vermutlich auch in Zukunft garantieren, ins Pokalfinale geht Harders Team als großer Favorit.

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Author: Duane Harber

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